Ist eine Fusion bei Kapitalverlust und Überschuldung möglich? Wir geben hier einen Überblick:

Unternehmen können in eine wirtschaftlich schwierige Lage geraten. Kommt es dabei zu einem hälftigen Kapitalverlust oder sogar zu einer Überschuldung gemäss Art. 725 OR, verlangt das Gesetz ein sofortiges Handeln der Organe. Neben klassischen Sanierungsmassnahmen wie Kapitalzuführungen oder Kostenreduktionen, eröffnet das Fusionsgesetz (FusG) mit Art. 6 die Möglichkeit einer sogenannten Sanierungsfusion.

 

Voraussetzungen gemäss Art. 6 FusG

Damit eine Fusion mit einer sanierungsbedürftigen Gesellschaft zulässig ist, müssen besondere Bedingungen erfüllt sein:

 

  • Abs. 1 – Frei verwendbares Eigenkapital
    Die aufnehmende Gesellschaft muss über frei verwendbares Eigenkapital verfügen, das mindestens die Unterdeckung der sanierungsbedürftigen Gesellschaft deckt. Frei verwendbar ist nur jenes Eigenkapital, das nicht durch gesetzliche oder statutarische Vorschriften gebunden ist – z. B. Bilanzgewinne oder freie Reserven (Verweis auf Beispielrechnung).

 

  • Abs. 1bis – Rangrücktritt und Stundung
    Reicht das frei verwendbare Eigenkapital nicht aus, kann die Fusion trotzdem zulässig sein, wenn Gläubiger im Umfang der Unterdeckung Rangrücktritte erklären und ihre Forderungen stunden. Dabei müssen auch Zinsen umfasst sein.
    Wichtig: Rangrücktritte schaffen keine neuen Mittel – sie sind ein rechtliches Überbrückungsinstrument, aber keine eigentliche Sanierungsmassnahme.

 

  • Abs. 2 – Revisionsbestätigung Ein zugelassener Revisionsexperte muss bestätigen, dass entweder genügend frei verwendbares Eigenkapital vorhanden ist oder Rangrücktritte in der erforderlichen Höhe vorliegen. Diese Bestätigung basiert auf der Fusionsbilanz sowie den Vertragsunterlagen und ist zwingende Voraussetzung für die Eintragung im Handelsregister. Ausnahmen gibt es nicht – selbst bei vereinfachten oder einstimmig beschlossenen Fusionen bleibt die Prüfung nach Art. 6 Abs. 2 FusG. Darüber hinaus prüft der Revisionsexperte auch die Richtigkeit der Fusionsbilanz und die Vollständigkeit der Vertragsunterlagen.

 

Gläubigerschutz

Neben diesen Voraussetzungen sieht das FusG klare Schutzmechanismen vor:

  • Die Fusion muss im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert werden.
  • Gläubiger können innerhalb einer bestimmten Frist die Sicherstellung ihrer Forderungen verlangen, falls diese durch die Fusion gefährdet erscheinen.
  • Zudem haften die beteiligten Gesellschaften für bestehende Verbindlichkeiten solidarisch.

 

Wichtig: Diese Schutzmechanismen sind zwingend und können nicht durch einen Verzicht der Gesellschafter umgangen werden.

 

Rechenbeispiel – Fusion mit einer überschuldeten Gesellschaft

Die Alpha AG hat ein Aktienkapital von CHF 500’000.– und Reserven von CHF 100’000.–. Durch Verluste ist das Eigenkapital auf – CHF 200’000.– gesunken (Überschuldung).

Die Beta AG möchte die Alpha AG übernehmen. Ihre Bilanz weist u. a. CHF 300’000.– freie Reserven aus.

Damit deckt die Beta AG die Unterdeckung vollständig – die Fusion ist nach Art. 6 Abs. 1 FusG zulässig.

Variante: Hätte die Beta AG nur CHF 100’000.– freie Reserven, wäre die Fusion nur möglich, wenn Gläubiger der Alpha AG für CHF 100’000.– Rangrücktritte erklären und ihre Forderungen stunden (Art. 6 Abs. 1bis FusG).

Steuerliche Überlegungen im Überblick

Auch wenn bei einer Sanierungsfusion oft die rechtlichen Fragen im Vordergrund stehen, können steuerliche Aspekte entscheidend für die wirtschaftliche Wirkung sein. Besonders relevant sind:

  • Sanierungsgewinne: Entstehen durch Forderungsverzichte und sind steuerfrei, sofern sie effektiv zur Sanierung beitragen (Art. 24 Abs. 3 StHG / Art. 61 Abs. 3 DBG).
  • Verlustvorträge: Verlustvorträge können bei einer Sanierungsfusion auf die übernehmende Gesellschaft übergehen, sofern die wirtschaftliche Identität gewahrt bleibt. Voraussetzung ist, dass die Geschäftstätigkeit weitergeführt wird und keine Steuerumgehung vorliegt.

Weitere steuerliche Auswirkungen wie bei der Verrechnungssteuer oder der Emissionsabgabe sind im Einzelfall auch zu prüfen.

Fazit

Eine Fusion nach Art. 6 FusG kann in der Krise ein wertvolles Instrument sein: Sie stärkt im besten Fall die Eigenkapitalbasis, sichert den Fortbestand und ermöglicht die Nutzung von Synergien – bei gleichzeitig klarem Gläubigerschutz.

Gleichzeitig gilt: Rangrücktritte schaffen keinen neuen Mittelzufluss, die Pflicht zur Richterbenachrichtigung nach OR bleibt bestehen, und die Abstimmung mit Gläubigern, Revision und Steuerbehörden macht den Prozess komplex. Zudem tragen Verwaltungsrat und Geschäftsführung die Verantwortung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden – andernfalls drohen persönliche Haftungsrisiken.

 

Für Verwaltungsräte bedeutet dies: Wer eine Sanierungsfusion in Betracht zieht, sollte die gesetzlichen Voraussetzungen kennen und Chancen sowie Risiken sorgfältig abwägen.

 

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